WAHLKREISPROGNOSE I 27. NOVEMBER 2023
Im aktuellen Bundestrend können Unionsparteien und AfD kräftig hinzugewinnen. Bei der Kanzlerfrage stürzt Olaf Scholz derweil ab. Viele Wahlberechtigte wollen Einsparungen bei Migration, Beamten und Autoindustrie.
44 Prozent für Neuwahlen
Derzeit wollen 23 Prozent der Befragten, dass die Ampel-Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleibt. Einen fliegenden Wechsel zu Jamaika oder der Großen Koalition wollen je sieben Prozent. 44 Prozent sind für vorgezogene Neuwahlen: davon 14 Prozent am Tag der Europawahl und 30 Prozent für einen noch früheren Termin.
Finanzierungslücken abmildern – aber wie?
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht der deutsche Staat vor einer Finanzierungslücke von mehreren Milliarden Euro für geplante Projekte. Auf die Frage, wie die Bundesregierung das abmildern soll, spricht sich eine relative Mehrheit von 35 Prozent dafür aus, stärkere Einkommensklassen höher zu besteuern. Drei von Zehn Befragte setzen auf Kürzungen staatlicher Ausgaben. 16 Prozent halten die zeitweilige Aufhebung der Schuldenbremse für besonders sinnvoll. Weitere sechs Prozent befürworten die komplette Abschaffung der Schuldenbremse. Vier Prozent fänden es richtig, wenn Steuern für alle Einkommensgruppen gleichermaßen erhöht werden würden.
Viele Deutsche für Kürzung bei Migration, Beamten und Autoindustrie
Die Befragten zeigen eine deutliche Tendenz gegen Kürzungen bei sozialgelagerten Themen, wie Renten und Altersvorsorge (81%), Pflege (78%) oder Schulen/Kindergärten (71%). Gelder für Sicherheit (71%), dem Wohnungsbau (64%) oder Kindergeld (64%) sollten laut Mehrheit „auf keinen Fall“ gekürzt werden.
Relative Mehrheiten gegen Einsparungen ergeben sich außerdem bei Preisbremsen für Gas und Strom (54%), dem Bahnausbau (49%) oder der finanziellen Hilfe von Kommunen (47%). Wenn es um Aufbaugelder bei nationalen Katastrophen geht, sprechen sich 59 Prozent gegen Kürzungen aus. Höher ist die Bereitschaft unter den meisten Deutschen, Kürzungen bei internationalen Katastrophen vorzunehmen: 33 Prozent begrüßen da leichte und 42 Prozent deutliche Einsparungen. Ähnliche Bilder zeigen sich bei der internationalen Klimadiplomatie (68% für leichte oder deutliche Kürzungen), Entwicklungshilfe (72%) oder der Ukraine-Hilfe (75%).
Kürzungsoffenheit lässt sich darüberhinaus bei der Beamtenbesoldung (72%), der Autoindustrie (77%) und Migration (83%) beobachten.
K-Frage
Bei der Kanzlerfrage liegt Olaf Scholz erstmals seit der Bundestagswahl nicht mehr vorne – sowohl im Zweierduell gegen Merz, wie auch im Mehrpersonenszenario.
Beim direkten Aufeinandertreffen zwischen Amtsinhaber Olaf Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz, setzen die meisten Wahlberechtigten mittlerweile auf Merz. 29 Prozent würden ihn direkt wählen – das sind fünf Punkte mehr als vor einem Monat. Olaf Scholz verliert deutlich und erreicht 19 Prozent (-6%).
Im erweiterten Kandidatenszenario schiebt sich Friedrich Merz ebenfalls erstmals an die Spitze. Ihn würden 19 Prozent direkt zum Kanzler wählen – drei Punkte mehr als im Vormonat. Alice Weidel klettert von 14 auf 17 Prozent. Olaf Scholz liegt nur noch auf Rang drei – mit 16 Prozent Direktwahlanteil (-2%). Annalena Baerbock erreicht unverändert neun und Sahra Wagenknecht verschlechterte acht Prozent (-5%) der Stimmen.
Ganz anders verteilen sich die Anteile, ginge Verteidigungsminister Boris Pistorius als roter Kanzlerkandidat ins Feld. Annalena Baerbock und Sahra Wagenknecht kämen dann auf jeweils verbesserte zehn Prozent. Alice Weidel läge immer noch auf Platz zwei – mit 16 statt 17 Prozent. Friedrich Merz würde von 19 auf zwölf Prozent abstürzen. Boris Pistorius hätte aus dem Stand 31 Prozent aller Befragten hinter sich. Selbst Wahlpräferenten der Union würden Pistorius (36%) CDU-Chef Friedrich Merz (29,5%) vorziehen.
Welche Partei kann am ehesten die Probleme lösen?
Die Unionsparteien sind in den Augen der meisten Befragten (26%) am ehesten fähig die wichtigsten Probleme in Deutschland zu lösen. Im Vergleich zur Oktober-Befragung entspricht das einem Rückgang von vier Punkten. Im gleichen Zeitraum konnte die SPD ihren Kompetenzwert von zwölf auf 17 Prozent steigern. Die Kanzlerpartei liegt damit wieder gleichauf mit der AfD, der ebenfalls 17 Prozent Lösungskompetenz bescheinigen. Deutlich abgeschlagen bei dieser Frage sind Grüne (6%), BSW (6%), FDP (3%) und Linke (1%). Einviertel traut keiner Partei zu mit den wichtigsten Problemen zurechtzukommen.
Situation bei den Direktmandaten
Die Union kommt auf 221 potenzielle Direktmandate – eines mehr als im Oktober. Für die AfD werden 60 Mehrheiten gezählt (+29). Die SPD-Mehrheiten gehen abermals zurück: nur noch 14 Wahlkreise sind rot (-9). Auch die Grünen büßen ein: sie liegen jetzt bei vier Direktmandaten (-3).
Die vollständigen Erststimmentrends finden Sie bei Interaktiv.Wahlkreisprognose.de
Sonntagsfrage
Wären schon nächsten Sonntag Bundestagswahlen, dann würde die Union auf 28 Prozent aller Zweitstimmen kommen. Verglichen mit Oktober macht das ein Plus um 1,5 Prozentpunkten. Zuwächse verbucht darüberhinaus die AfD, die sich von 18 auf 23,5 Prozent steigert. Verschlechterte 14,5 Prozent entfällt auf die SPD. Jeweils unverändert sind Grüne (12,5%) und FDP (5,5%). Deutlich zurück geht es für das Bündnis Sahra Wagenknecht: nachdem es im Oktober von null auf 13 Prozent ging, fällt die Partei in spe nun mehr auf sechs Prozent. Die Linke kann davon allerdings nicht profitieren: sie kommt unverändert auf drei Prozent.
Sonntagsfrage nach verschiedenen Szenarien
Die neutralen Abfrage zur Wahlpräferenz – das umschließt alle Parteien die bei der letzten Bundestagswahl mit der Zweitstimme wählbar waren, also nicht das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – ergibt für CDU/CSU derzeit 31 Prozent (Vormonat: 30%). Die AfD kommt auf deutlich verbesserte 26 Prozent (+4%). Weit dahinter folgt die SPD mit 15 Prozent (+0,5%), gefolgt von Grünen (13%), FDP (5%) und Linken (3,5%).
Die Unionsparteien würden ihr aktuelles Resultat unterbieten, stellt man die Sonntagsfrage gekoppelt an einen aussichtsreichen Spitzenkandidaten Friedrich Merz: hier kommen die C-Parteien auf 26,5 Prozent, wären also immer noch vor der AfD mit Weidel und Chrupalla (24,5%). Die SPD mit Olaf Scholz wäre kaum besser als in den neutralen Abfragen. Zum Vergleich: im Juli erreichte die SPD bei einer vergleichbaren Abfrage mit Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten noch 22,5 Prozent.
Im Juli wurde auch schon einmal erhoben, welches Ergebnis die SPD mit Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten erzielen würde. Damals kam die SPD auf 27,5 Prozent. Obwohl der SPD-Wert mit Pistorius derzeit geringer ausfällt (24%), wäre die SPD ganz knapp vor Union und AfD (jeweils 23%).